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Menschen und Geschichten

Auf der Bundesstraße 3 von Buxtehude nach Hannover.

Juli 2017. Von Margret Hucko mit Fotos von Wolfgang Groeger-Meier.

Eine Geschichte ist wie eine Straße. Sie besitzt einen Anfang und ein Ende, im besten Fall einen Spannungsbogen mit prickelnden Höhen und Abschnitten, die wieder entspannen.

Unsere Geschichte, die wir hier erzählen wollen, führt an einer Straße entlang – der Bundesstraße 3 von Buxtehude nach Basel. Die Protagonisten? Alltagshelden; sie leben und arbeiten direkt an der B3 – Tag für Tag – oder zumindest die meiste Zeit des Jahres.

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Wir steuern den BMW 2002, der uns von Norden Richtung Süden bringen soll, auf einen unscheinbaren Hof in Buxtehude. Gegenüber liegt eine alte Scheune. Sabine, rote Haare, rosa T-Shirt, Jeans steigt aus ihrem Hyundai. Seit 1992 wohnt sie an der B3. An ihrem Bauernhof beginnt die Bundesstraße. Die 47-Jährige zeigt auf das Küchenfenster, „da war der Kuhstall“. Den Hof pflastern noch runde Steine.

So wie aus dem Bauernhof ein Wohnhaus wurde und aus der Scheune ein Handel für Veranstaltungstechnik, hat sich auch die B3 gewandelt, erzählt sie. „Der Verkehr ist sehr heftig geworden in den letzten Jahren“, meint Sabine, beklagt sich aber nicht. Vor allem die Zahl der Lkw, die über die Straße donnern, sei stark gestiegen. Sie entschuldigt sich kurz, geht ins Haus und bringt ihren Sohn Lennard mit.

Vom Lärm höre die Familie nichts, sagt Sabine und Lennard nickt. „Wir haben dicke Wände“, erklärt der Junge. Vielleicht hat auch einfach nur ein alter Brauch geholfen, dass Sabine das Haus an der B3 nie aufgegeben hat.

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An einer Tür des Hofes sind ein Paar ihrer Schuhe festgenagelt. „Ein Brauch bei der Hochzeit“, erklärt sie. Weiterziehen ohne Schuhe? Wer macht das schon? Wir fahren weiter Richtung Soltau.

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Richtung Soltau/Sprötze ist die B3 von hohen Bäumen gesäumt. Birken, Eichen oder Buchen bilden einen grünen Tunnel. Er fühlt sich an wie der Dschungel des Nordens. Mit konstantem Tempo rollt der 2002 durch ihn hindurch, auf einer gut ausgebauten Asphaltstrecke.

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Hin und wieder stört ein weißer Campingwagen die Idylle. In diesen Mobilen bieten Damen ihre Liebesdienste an. Liebe, Leben und Tod – auch das ist die B3. Häufiger als einer dieser Eroscenter stehen Holzkreuze am Wegesrand. Sie erinnern an die Toten der Bundesstraße. In einem Artikel der ZEIT aus dem Jahr 1968 über Versicherungen wird ein Versuch auf der B3 mit sogenannten „Leiteinrichtungen“ beschrieben. Danach sei die Unfallhäufigkeit auf einem bestimmten Stück der B3 um fast 20 Prozent gesunken, heißt es darin. „Das Bundesverkehrsministerium mußte trotz hoher Kosten die Konsequenzen ziehen und alle Bundesstraßen entsprechend ausrüsten“, so die ZEIT.

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Die B3 schrieb Geschichte. Sie geht weiter, wir schreiben mit.

 

Auf einer Welle

Wolfgang stoppt den BMW 2002 an einem Hotel in unmittelbarer Nähe der Bushaltestelle Waldheim. Die besten Jahre hat das Haus hinter sich. Doch nach wie vor ist es eine Schönheit.

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Wie ein kleines Märchenschloss sieht es aus, es bräuchte nur eine gute Fee, um es wieder aufzumöbeln. Der Putz fällt von den Wänden, die Haustür steht einen Spalt weit offen. Im Hausflur liegt Müll und ein Fahrrad steht gegen die Wand gelehnt. Wohnt hier noch etwa jemand? Neugierig schaue ich durchs Fenster und schrecke zurück: Ein Fernseher läuft, auf dem Sofa liegt jemand, der schläft.

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Schnell weg. Wir fahren ab, doch die Neugierde bleibt. In einem der kommenden Orte mit dem maritimen Namen „Welle“ halten wir an einer Tankstelle. „Zwei Kaffee“, bestellt Wolfgang und ich versuche, noch eine kostenlose Auskunft dazu serviert zu bekommen. „Wer wohnt heute in dem Hotel in Waldheim?“, frage ich. Die freundliche Frau von der Tankstelle reist zurück in ihre Kindheit: „Als kleines Mädchen habe ich dort Mini-Golf gespielt“, erzählt sie. „Heute leben dort Harz-4-Empfänger“. Sie nimmt ihre Hand, formt sie zu einem Becher und kippt ihren Kopf in den Nacken. Die neuen Bewohner im ehemals noblen Hotel an der Bundesstraße scheinen einem Gläschen nicht abgeneigt. Wir trinken unseren Kaffee aus und fahren weiter. Immer der Straße entlang.

 

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